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Der Zündstoff der Nichtigkeiten - Teil 3

So sehr wir Pauls Reaktionen in dieser Situation (s. Teil-1 und Teil-2) verstehen können, so wenig hilfreich sind sie in diesem Moment.

In der Fliegerei nutzen Piloten geeignete Maßnahmen, damit Emotionen beherrschbar bleiben. Spezielle Trainings und Verfahren sorgen dafür, in Krisensituationen einen klaren Kopf zu bewahren und die erforderlichen Maßnahmen umsetzen zu können. Diese Methoden können auch Sie lernen und in Ihrem Umfeld anwenden. Sprechen Sie mich an.

Und Paul? Er ist meilenweit davon entfernt, vernünftig agieren zu können. Nur was soll er tun?

• Die „Anmache“ des anderen ignorieren, schweigen und den Laden einfach verlassen?

• Ihm eine entsprechende Retourkutsche verpassen?

Es gibt noch eine dritte Option. Nur leider kommt Paul diese Möglichkeit nicht in den Sinn.

> Auf den anderen zugehen und das Gespräch suchen <

Uns leuchtet ein, werte Leser, dass die Option „miteinander zu reden“ meistens die bessere Wahl ist. Jetzt müssen wir nur noch Paul davon überzeugen, dass beide Seiten davon profitieren können, ohne sein Gesicht zu verlieren oder seinen Standpunkt gar zu opfern.

Was benötigen wir, um aus einem emotionsgeladenen Zustand in eine ausgeglichene Position zurück zu kommen?

• Wir brauchen Zeit, um uns zu beruhigen.

Oder

• Wir benötigen eine spontane Ablenkung, die unsere sofortige und ganze Konzentration erfordert, sodass das gerade Erlebte nahezu nebensächlich wird.

In unserem Fall hat Paul nicht die nötige Zeit. Aber durch das Einräumen seiner Waren wird er so abgelenkt, dass er mehr und mehr zugänglich wird. Und mit einem Mal kann er sich sogar ein Stück weit in die Situation des anderen hineinversetzen. Auch er stand schon mal im Halteverbot, weil es nicht anders ging. Unbewusst zeigt Pauls Verhalten plötzlich empathische Züge und steht kurz davor, sich dem Fremden zuzuwenden.

Doch Stopp! Würde Paul damit nicht klein beigeben und damit sein Gesicht verlieren? Ganz und gar nicht, wie das folgende Beispiel zeigt.

„Ich gebe Ihnen recht, es ist kein schönes Gefühl, im Halteverbot stehen zu müssen, weil man in der Eile keinen Parkplatz gefunden hat“, sagte Paul zu dem Fremden. „Auch ich wünschte, es gäbe mehr Platz hinter der Kasse für unsere Einkäufe, sodass Sie bereits hätten bedient werden können.“

Empathie zu zeigen signalisiert, dass wir uns auf einen anderen Menschen einlassen, dass wir seine Gefühlslage verstehen oder sogar nachempfinden können. Dabei geht es weder um Mitleid, noch um die Akzeptanz des anderen Standpunktes. Empathie baut vielmehr eine Brücke zwischen den Beteiligten und kann durch ein Gespräch maßgeblich zur Deeskalation angespannter Situationen beitragen.

Empathie kann nicht angeordnet werden. Sie kann nur erfolgreich angewendet werden, wenn beide Seiten dazu emotional in der Lage sind und beide Seite diese Annäherung zulassen.

Fazit: Was hat Paul aus dieser Situation gelernt?

• Unbedeutende Nichtigkeiten sind geradezu prädestiniert, uns überproportional aus der Fassung zu bringen. Nüchtern betrachtet unsinnig, sich so aufzuregen.

• Die Fähigkeit, kluge Entscheidungen treffen zu können, nimmt durch nicht mehr steuerbare Emotionen rapide ab. Diesen Effekt gilt es von vornherein durch die eigene Haltung zu verhindern.

• Der persönliche Feuerlöscher (s. Teil-2) verschafft Zeit, das persönliches Ausstiegsszenario Freiraum für Empathie.

• Sich in die Lage des anderen zu versetzen bedeutet nicht zwangsläufig, dessen Beweggründe für seine Handlungen zu akzeptieren oder vom eigenen Verhalten abzuweichen.

• Eine freundliche Ansprache bewirkt oft Wunder, wenn sie ehrlich gemeint ist.

Paul hat es geschafft. Durch den Einsatz von Empathie ist es ihm gelungen, die Situation zu entschärfen. Allerdings hat er auch erkannt, dass Empathie nur möglich ist, wenn er selbst dazu in der Lage ist und der andere sie zulässt.

Nach diesem Auftritt ist Paul fest entschlossen, sich sein persönliches Ausstiegsszenario für alle Fälle zuzulegen und immer mit einsatzfähig zu haben. Das könnte zum Beispiel ein Bild seiner Familie oder seiner Kinder sein, eine Szene aus dem letzten Strandurlaub oder aber auch etwas, das weitaus wichtiger ist als diese Nichtigkeit. 

Wichtig ist, dass dieses Szenario schlagartig seine ganze Aufmerksamkeit fordert.

Schaffen auch Sie sich Ihr persönliches Szenario, Ihre Checkliste für den Notfall, damit Sie sich in aller Ruhe auf stressige Situationen vorbereiten können, die Sie vielleicht im nächsten Moment aus dem Hemd springen lassen. Dann sind Sie bestens gerüstet und können gelassen in die Zukunft blicken. 

Genau wie die Piloten im Cockpit.

 

Robert Stolz